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Die Garnison in der Rattenfängerstadt

Die Geschichte der Stadt Hameln wurde mehrfach durch die Stationierung von Militäreinheiten geprägt. Ob unter den Welfen, zur Zeit der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover, oder unter den Preußen – immer wieder wurde die Stadt als Festung genutzt. Zuletzt zogen hier nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die britischen Besatzer ein, aus denen später befreundete NATO-Gaststreitkräfte wurden und die das Leben in Hameln während der letzten Jahrzehnte mitprägten. Mit dem vollständigen Abzug der britischen Rheinarmee aus Deutschland bis 2016, steht die Stadt nunmehr vor der enormen Herausforderung der Konversion.

Geschichte der Garnison Hameln

Die Geschichte Hamelns als Militärstandort geht auf den Ausbau der Stadt zur Hauptfestung der Welfen von 1664 bis 1684 zurück. Während des Siebenjährigen Krieges von 1756 bis 1763 wurden die Befestigungsanlagen – diesmal durch König George III. von Großbritannien-Hannover – weiter ausgebaut und durch neue Festungsbauten auf dem Berg Klüt ergänzt. Bis 1784 wurden auf dem Berg drei Forts errichtet, womit die Stadt zur stärksten Festung des Kurfürstentums Hannover aufstieg. Ein viertes Fort folgte 1806 während der Napoleonischen Kriege, nur kurz bevor die Festung kapitulierte und alle Befestigungsanlagen in und um Hameln 1808 im Zuge einer Schleifung von tausenden Arbeitern endgültig beseitigt wurden.

Truppenverbände aus Hameln waren nach dem Fall der Festung zwar bei der Schlacht von Waterloo siegreich und Bataillone der Stadt durften seither ein Helmband mit dem Schriftzug Waterloo tragen, aber die Stadt hatte in den nachfolgenden Jahrzehnten keine militärische Bedeutung mehr. Erst nachdem Hameln preußisch geworden und die Reichsgründung erfolgt war, wurde im Jahr 1897 das 164. Infanterie-Regiment in der Stadt aufgestellt und zog in die 1898 fertig gestellte Kasernenanlage an der Scharnhorststrasse ein. Diese Hamelner Einheit war vom Anfang bis zum Ende des Ersten Weltkriegs an der Westfront in einem verlustreichen Einsatz und wurde nach Kriegsende aufgelöst.


Kupferstich der Stadt Hameln mit Befestigungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert von Matthäus Merian dem Älteren (CC0 1.0)

Die Briten kommen nach Hameln

Im Zuge der Wiederbewaffnung unter der NS-Diktatur wurde 1937 bis 1938 die Linsingenkaserne in Hameln erbaut. Unterschiedliche Infanterie-Regimenter waren dort stationiert, bevor sie nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an West- und Ostfront eingesetzt wurden. Damit blieben die zwei Kasernen der Stadt den rund 4.000 Mann starken Ersatzbataillonen überlassen, wobei auch diese kurz vor Kriegsende in den Kampf geschickt wurden.

Letztlich flohen die ungefähr 500 in Hameln verbliebenen und schlecht ausgerüsteten Soldaten, als die Stadt am 7. April 1945 von britischen und US-amerikanischen Truppen besetzt wurde. Am 20. Juli traf das 5. Bataillon der „Queens Own Cameron Highlanders“ in Hameln ein und errichtete die bis heute aktive britische Garnison in der Stadt. Während der nächsten Jahrzehnte beherbergte Hameln verschiedene britische Truppenteile. Dabei handelte es sich überwiegend um Pioniereinheiten, wie die 1949 eingetroffenen „29. Field Squadron Royal Engineers“ oder die 1962 aus Osnabrück verlegte 11. britische Pionierbrigade.

Die in „Gordon Barracks“ umbenannte Linsingenkaserne diente häufig als Übungsstützpunkt für die Brückenbauer von NATO-Pioniereinheiten. Dank der beiden Wasserübungsplätze an der Weser, „Upnor“ sowie „Wouldham“, bot Hameln dafür hervorragende Rahmenbedingungen. Bis zum Ende der Fünfzigerjahre wurden die berühmten britischen „Bailey-Brücken“ noch von Hand montiert und bei regelmäßigen Übungen über die Weser gespannt. Daher rührt auch der Name der Liegenschaft „Bailey Park“, wo die sperrigen Einzelteile der schwimmenden Pontonbrücken gelagert wurden.

Später wurden zunehmend automatisierte Brückenfahrzeuge eingeführt. Dafür wurde 1971 das bis heute aktive „28. Amphibious Engineer Regiment“ in Hameln gegründet. Diese Einheit hatte 38 der imposanten und in Deutschland hergestellten amphibischen Brücken- und Fährenfahrzeuge M3 im Einsatz, die auch bei Übungen an der Weser eingesetzt werden. Den besonderen Stellenwert der in Hameln stationierten Pioniere für die Leistungsfähigkeit der NATO unterstrich auch ein Besuch von Königin Elizabeth II. im Jahr 1993.

Die in Hameln stationierten britischen Pioniereinheiten setzten das in Deutschland hergestellte amphibische Brücken- und Fährenfahrzeuge M3 ein (Foto: LH Wong, CC BY-SA 2.0)

Abzug der britischen Gaststreitkräfte

Die Stadt Hameln hat bereits positive Erfahrungen mit der Konversion ehemaliger Militärflächen gemacht. Im Jahr 2001 wurde die 8,9 Hektar große „Bindon Barracks“ von den britischen Gaststreitkräften geräumt und an die Bundesrepublik zurückgegeben. Der als Scharnhorst-Kaserne erbaute Gebäudekomplex wurde seit 2007 komplett saniert und ist heute ein beliebter Wohn- und Dienstleistungspark mit teils denkmalgeschützter Bausubstanz.

Durch den Abzug der restlichen britischen Gaststreitkräfte aus Hameln bis 2014 haben insgesamt rund 1.500 Menschen die Region verlassen. Dieser Gesamtabzug und die Freigabe aller Militärflächen in der Stadt stellen zweifellos eine größere Herausforderung dar, als die Überführung der „Bindon Barracks“ in eine nachhaltige zivile Nutzung. Der Stadt Hameln steht jedoch mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die Eigentümerin der ehemaligen Militärflächen ist, ein erfahrener und kooperativer Partner zur Seite. Gemeinsam arbeiten beide erfolgreich an einer zivilen Nachnutzung der Liegenschaftsfläche. 

Fakten zur Geschichte der Stadt Hameln

In diesem Auszug aus dem Niedersachsenbuch wird die Geschichte der Stadt Hameln beleuchtet.

Broschüre Transformation der britischen Streitkräfte

In der bildreichen Publikation werden die Hintergründe des Abzugs der britischen Armee aus Deutschland erklärt. (Englisch)

Luftbild Linsingen-Kaserne

Auf diesem von der Stadt Hameln erstellten Luftbild können Details der Linsingen-Kaserne ausgemacht werden.